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Autorenbildpeterssan

Von Kurschatten, Flitzpiepen, Schwaatlappen und echten Heldinnen

 

Reha nach Hüft-OP (Teil 3)

Spannend an so einer Reha sind ja vor allem die Menschen. Für eine gewisse Zeit ist man hier mit Leuten zusammen, die man sonst so nie treffen würde. Hier kann ich richtige Studien betreiben. Hinter jedem Gesicht steckt eine Geschichte, viele sind richtig heftig und werden mich noch lange beschäftigen.  Ich habe zum Beispiel noch nie so viele Menschen, mit nur einem Bein gesehen. Das liegt daran, dass hier gute Spezialisten für die Anpassung von Prothesen sind, die Leute kommen aus ganz Deutschland. Genau wie zur Long Covid Station.

Weit vertreten hier, der Typus, alter, weißer Mann. In meiner Bubble zu Hause komme ich selten mit dieser Art Männer in Kontakt. Davon gibt es hier aber viele. Einen habe ich den „Schwaatlappen“ getauft. Er redet nonstopp, mit sehr lauter Stimme. Mal abgesehen davon, dass ich oft schreien möchte, darüber, was er so erzählt – mich fasziniert, dass er selbst das Gefühl zu haben scheint, dass sich alle dafür interessieren, was er sagt. Ich meine, er ist irgendwie ein netter Kerl, aber augenscheinlich aus einer Zeit, in der die Frau kocht und sich um den Haushalt kümmert. In der Kinder geschlagen werden, und alles seine Ordnung haben muss. Ich versuche ihm aus dem Weg zu gehen. Aber, wenn er am Nebentisch sitzt, kommt man nicht umhin, den ganzen Quatsch anzuhören.

Andere Männer erklären allen die Welt. Geben tolle Ratschläge und denken, nur weil sie so schnell ohne Krücken unterwegs waren, müssten das alle können. Nervt.

Dann gibt es noch so Typen wie die „Flitzpiepe“. Äußerlich keine Gebrechen, immer unterwegs, immer am schäkern, mit den paar jungen Frauen, die es hier gibt. Beim Fußball gucken tönte er rum: „Möchte noch jemand einen „Kaffee“ – zwinker, zwinker“ Dann kreiste ein Becher mit irgendeinem Alkohol. Versteht mich nicht falsch, Alkohol ist hier im Haus zwar verboten, von mir aus soll doch jeder machen, was er will, nur muss man das so pubertär raushängen lassen?

Unser aller Heldin ist aber eine junge Frau. Anfang 30, und nach einer Sepsis wurde der Unterschenkel amputiert. Sie hat zwei kleine Kinder. Seit sie hier ist, hat schon zwei Mal ihr Kreislauf schlapp gemacht. Einmal wurde sie bewusstlos von einer Patientin gefunden, und vom Notarzt ins Krankenhaus gebracht. Aber sie lässt sich davon nicht unterkriegen, am nächsten Tag war sie wieder da. „Ich mach weiter!“. Dabei strahlt sie eine Zuversicht aus, es ist großartig. Jeder spricht sie an, alle wissen, wer sie ist. Aber sie hat immer ein freundliches Wort, ist offen und zugewandt. Stark.

Meine kleine Superfrau heißt Edith. Sie wohnt neben mir, hat mit 82 ihre Hüfte bekommen. Sie läuft schon wieder wie ein „Döppken“, meistens mit Stock, manchmal mit Rollator. Von ihr gibt es kein negatives Wort. Klein, aber zäh,  zieht sie hier ihren Stiefel durch. Oft sitzt sie mit uns am Tisch, aber manchmal, wenn ihr alles Zuviel wird, dann setzt sich sich allein, grinst rüber und isst in Ruhe allein. Gestern ist sie gefallen, ein Mann konnte sie gerade noch auffangen. Das macht ihr zu schaffen. „Das kann ja immer wieder passieren.“ Aber sie will nicht aufgeben, sich nicht nur an den Rollator klammern. Ich bewundere sie für ihren Mut und ihre Ausdauer.

 Gewundert haben wir uns dann noch über den Rollstuhlfahrer, der alleine die steile Straße von der Klinik runter zur Bushaltestelle gefahren ist. Lebensgefährlich! Warum geht jemand so ein Risiko ein? Der Klinik Flurfunk sagt, er sei ein Straftäter auf der Flucht, vor seinem Zimmer haben tagelang Polizisten gestanden. Sachen gibt’s…

Am meisten freue ich mich aber über meine beiden Tischnachbarinnen/Mitpatientinnen/ Leidensgenossinnen – ich weiß gar nicht, wie ich sie nennen soll. Wir haben uns zufällig kennengelernt und sitzen jetzt beim Essen immer zusammen und so. Das ist einfach nur schön mit Helga und Sabine. Sie haben beide auch eine neue Hüfte. Zusammen entwerfen wir die Spitznamen für unsere Mitpatienten. Allerdings bin ich lange nicht drauf gekommen, welchen Therapeuten sie mit „George Clooney“ meinen. Jetzt habe ich ihn endlich gesehen und naja, o.k., er sieht ganz nett aus, aber Hallo, doch nicht wie George.

Ach ja, ihr wartet sicher, dass ich euch etwas über meinen Kurschatten verrate: Also, der ist wirklich sehr süß und manchmal kann ich nachmittags nicht anders, da werde ich schwach. Obwohl das bestimmt nicht richtig ist.  Das ist er: ⬇️



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