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Autorenbildpeterssan

Das ist hier kein Urlaub

Aktualisiert: 28. Juni

Reha nach Hüft-Op (Teil 2)

Jeden Abend gegen 18 Uhr lungern wir vor den Briefkästen rum – dann gibt es den Therapieplan für den nächsten Tag. Klar ist: Frühstück ist immer von 7 bis 8 Uhr, meistens ist der erste Programm Punkt schon um 8 Uhr. Am Anfang war ich etwas überfordert. Was mach ich als nächstes? Wo ist das? Dieses DinA4 Papier, den Therapieplan , reingefriemelt in eine Hülle, habe ich am Tag gefühlte 100x in der Hand. Wann war noch mal Gym? Wann der Ergometer?

Ich bin das gar nicht mehr gewöhnt, so wie bei einem Stundenplan getacktet zu werden. Und im Grunde über meinen Tag nicht mehr selbst zu entscheiden. Aber mein Mantra ist: das hier ist kein Urlaub! Sondern eine Reha nach einer Hüft-Op!

Heute in der Knie Hüfte Hocker Gruppe. Der Therapeut, mit leichtem russischen(?) Akzent ist streng, kein Lächeln. Wer zu spät kommt wird angepflaumt. Wir hocken auf unseren Hockern, versuchen alles richtig zu machen. Ich bin leicht schockiert, dass ich das operierte Bein, kaum vom Boden anheben kann. Überhaupt, die Gymnastik im Sitzen, die ich aus dem Seniorenheim kenne, macht mich fertig. Im Hintergrund läuft hier, wie in allen Seminar Räumen, WDR2. Und als „Eye of the Tiger“ läuft, muss ich an Rocky denken, und was soll ich sagen, das hat mich motiviert. Und als ich das in die Gruppe flüsterte, musste sogar der strenge Trainer grinsen. „Rrrrrocky, ja, der ist gut!“ Er, der Therapeut, ist auch wirklich gut, er achtet drauf, dass die Übungen richtig gemacht werden. Seine Strenge sorgt dafür, dass wir nicht zu schnell aufgeben. Und wenn jemand, wirklich nicht mehr kann, gibt er ihm eine andere Übung.

Außerdem gab es heute Kälte-Therapie, und nein, das ist nicht wie ein Freund meinte, eine nette Umschreibung für Eis. Da pustet dir jemand mit einer Art Föhn kalte Luft auf die Narbe, das soll beim Heilen helfen…

Ich muss gestehen, dass ich heute zum ersten Mal einen Programmpunkt geschwänzt hab, den Vortrag zum Speisenkonzept vom Team a la carte, den hab ich mir geschenkt. Aber mich natürlich später bei meinen Tischnachbarinnen informiert: Ganz wichtig! Jeder darf nur EINE Leberwurst nehmen! Und die Nicht-ohne Krücken-Gehenden dürfen auf keinen Fall bei den Gehenden im Bereich sitzen oder gar essen holen.

 

Wir machen uns manchmal über diesen vielen Regeln lustig, weil es sich anfühlt wie im Internat oder so. Wir müssen zum Beispiel um 22 Uhr im Haus sein, danach sind alle Türen zu. Es gibt auf den Stationen festen Zeiten für Medikamentenausgabe, für Verbandswechsel und den „Patienservice“.  Aber uns ist auch klar, hier werden am Tag 500 Patienten durch geschleust. Wenn dann die Patientin in der Schlange in der Kantine bei der Brotauswahl sagt, „so wie immer“, kann ich die Mitarbeirin verstehen, die etwas genervt antwortet: „Sorry, ich habe am Abend hier 200 Leute, ich habe keine Ahnung, welches Brot sie immer essen.“

Bei so einem Riesenbetrieb, da bringt jede Ausnahme, jedes Brechen der Regeln, Sand ins Getriebe. Und wie überall, auch hier sind die Ressourcen knapp. Personal am Limit, usw. Ich muss aber sagen, dafür läuft es eigentlich gut. Ich bin dankbar, dass ich diese Chance überhaupt bekomme, 3 Wochen mich um meinen Körper kümmern zu können – und das unter Anleitung von echten Fachleuten. Klar, es ginge vieles besser, aber dieser Meckermodus, den hier viele drauf haben, bringt uns ja auch nicht weiter.

Eine meine Mitstreiterinnen hat zum Beispiel viel Wasser im Bein. Sie bräuchte dringend eine Lymphdrainage,  aber da waren einige Therapeuten krank, sie bekam einfach keinen Termin. Aber nachdem wir ein sehr nettes Gespräch mit der Leiterin der Physikalischen Therapie auf dem Gang hatten, hat die sich echt Mühe gegeben und doch noch was möglich gemacht. Und meine Bekannte hatte Pippi in den Augen, weil ihr die Anwendung so gut getan hat. Solche Momente gibt es hier also auch.

Zum Glück habe ich auch sensationelle Freundinnen und Freunde, allertollste Söhne und den besten Bruder der Welt, die mich besuchen, mir schreiben oder mich versorgen. Zudem sind hier zwei Patientinnen, mit denen ich viel reden, lachen, und lästern kann. Auch das hilft beim wieder gesund werden sehr!

Und ich habe heute das Gefühl, einen riesen Fortschritt beim Laufen gemacht zu haben. Das motiviert mich voll für die nächste Woche! Meinen Therapieplan für morgen habe ich schon – geplant unter anderem ein Gespräch mit einer Ernährungsberaterin,  ist doch mega, dass so was hier angeboten wird.

Das Thema Essen ist ja so wichtig. Ich verspreche, dazu gibt es bald eine eigene Folge 😉


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1 Comment


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Jun 23

In meiner Reha-Klinik in Bad-Neuenahr waren sie auch sehr streng, was das Einhalten der Termine betrifft. Aber wir durften abends so lange draußen sein, wie wir wollten. Ich lag allerdings auch fast immer schon um 22 Uhr im Bett. Das ist echt anstrengend, sich den ganzen Tag um sich zu kümmern 😉

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